16.5.2017 - Ein IT-Projekt – was ist das? – Teil 2
Nachdem jetzt also beide Projekte vor sich hin wursteln, ohne dass prüfende Blicke von außen gewollt überhaupt noch möglich wären, passiert erstmal nicht viel Sichtbares. Fundamente sind sicherlich notwendig, aber auch eben nicht sexy. Ähnlich ist wohl Programmcode anzusehen, der jetzt in immer größeren Mengen entsteht.
Ein paar Wochen später ist das IT-Projekt kein bissel transparenter. Aus unerklärlichen Gründen wird die Projektstatusflagge jetzt erstmals gelb geschwungen – obwohl sich nichts geändert hat, ist dies als eine Art Ritual zu sehen.
Auf der Baustelle kommt jetzt quasi zusammen mit dem Frühlingserwachen richtig viel Bewegung und Fortschritt rein. Götterdämmerung? Nein, noch nicht, aber die Fundamente sind gegossen, trocken und „datt Ding“ wächst Tag um Tag in Richtung Himmel. Stahlträger und Fertigbauelemente werden in einer gut funktionierenden Supply Chain Kette angeliefert und auch sofort eingebaut. Für mich unvorstellbar, dass auch hier IT dahinter steckt, denn es funktioniert anscheinend. Innerhalb weniger Wochen sind die ersten 7 Stockwerke gesetzt. Außen ist die Glasfassade dran und an sich sieht es fast schon fertig aus.
Und unser Freund das IT-Projekt ? Es nimmt immer mehr Fahrt auf, obwohl die Projektfarbe „ROT“ doch eigentlich Stillstand impliziert. Es geht voran, in welche Richtung ist noch nicht so klar, aber man ist stets bemüht im Rahmen seiner Möglichkeiten dem angeblich kontrollierten Chaos seinen Stempel aufzudrücken bzw. mit zu schwimmen. Je nach Gusto und Bibelkreiserfahrungen.
Auf der Baustelle ist jetzt ein struktureller Wandel zu sehen, schweres Baugerät, Bagger, Kräne weichen immer mehr den kleinen Handwerker-Bussen: Elektriker, Sanitärbetriebe und auch Sanitäter, Schlosser und Schreiner geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Es wird auf Sauberkeit geachtet, wenngleich das Wort Hygiene hier wohl völlig falsch wäre. Königsmann verdient gerade seine zweite Mio. Euro an Kaffee, Bockwurst, Nudelsalat und tiefgefrorener Gemüsesuppe. Annuschka vermittelt ja auch schließlich durch ihr Auftreten, sie würde dies morgens noch selbst kochen.
Und das IT-Projekt?
Farbe Rot, Stimmung gut, der mittlerweile 4. Projektleiter scheint nett zu sein. Zumindestens hat er gestern Abend seinen anständigen Einstand gegeben. Meine Fresse, ich hab immer noch Kopfweh!
Auf der Baustelle werden die letzten goldenen Wasserhähne eingebaut, eintönig klingende Fahrstuhlmusik wird einprogrammiert und die Server Räume für das System Facility Management werden eingerichtet. D.h. jetzt beginnt die wirklich kritische Phase der Baustelle. Die IT hält langsam aber sicher Einzug.
Und das IT-Projekt? Da die Fundamente für unsere Meilensteine nicht so wirklich fest gegossen waren und sind, können diese recht einfach verschoben werden. Der Weg ist ja bekanntlich das Ziel und wie ich letzte Woche gelernt habe, ist Big Data eine Reise. Wege, Ziele, Reisen…sind wir jetzt etwa im Tourismus gelandet und dies ist ein falscher Blog ? „Neeeeee Guudster“, wie man bei uns zu schwätze pflegt.
Das IT-Projekt hat zwischenzeitlich den Scope minimiert, den Leistungsumfang reduziert und bis zur Schmerzgrenze die Wörter „Hexenwerk und Raketentechnik“ strapaziert. Auf Basis der ganzen Anpassungen spricht man von einem go-live. Eigentlich bedeutet dies aber, dass man sich traut in dem ursprünglich geplanten 18 stöckigen Hochhaus jetzt im Dachgeschoss (also im 3. Stock) mal die Toilette anzuschließen. Quasi den Wasserdruck der Spülung für mehr als 30 Sekunden anstehen zu lassen. Luftschlösser und DataWarehäuser haben eh einen sehr hohen imaginären Wert auf der z-Achse.
Naja, wenn man das Ergebnis zweimal durch eine Z- und anschließend durch eine La-Place Transformation jagt, bekommt man ja bekanntlicherweise die 3. Ableitung der Fouriertransformation.
Nebenanmerkung der Redaktion: Wer dies versteht, soll sich bitte sofort bei uns bewerben.
Nichtsdestotrotz bekommt das DataWareHaus seine erste Abnahme; man ist sich sicher, dass man im neuen Jahr in Version 2.0 den Scope von damals schafft. Obwohl das Projekt bis gestern auf ROT stand, ist es per Definition als erfolgreich beendet worden. Glücklicherweise vergisst man im Allgemeinen nicht zu feiern.
Und unsere Baustelle? Hier trennt sich jetzt unser Bürohochhaus von Musiktempeln, Flughäfen und Bahnstrecken. Letztgenannte iterieren und alternieren jetzt um die Startposition. Entweder stellt man fest, dass der Beton im Ernstfall zu schlecht brennt, der Unkenmolch gerade dort gelaicht hat, oder Hamburg die olympischen Spiele nicht möchte und deshalb das olympische Reckturnen nicht an dem Außenfassadengerüst der Philharmonie stattfindet kann.
Fertig !!!!
Unser Bürohochhaus ist fertig. Keine Handwerker Busse stehen mehr dort. Die eine Hälfte von Bürofenstern ist vollgeklebt mit „von angloamerikanisch klingenden 3-Nachnamen Konstukts“-Plakaten, die durch die Buzz-Words „zu vermieten, provisionsfrei, Erstbezug“ deutlich signalisieren, dass dieses Gebäude keiner braucht aber irgendwie doch wollte.
Und unser IT-Projekt? Fertig! Wir sind fertig. Wir haben einen Supermarkt für Daten par excellence geschaffen. Eine Art Datengrab für Unternehmenssteuerer und Analysten. Prall gefüllte Regale mit Daten aus aller Herren Länder, Frische-Daten, Datenkonserven, Bio Datenabteilung. All umfassend, technischer Elfenbeinturm, ganz ohne Fuxx-Kompensator, dafür aber schon mit Raketentechnik.
UND? Und hier schließt sich irgendwie doch wieder der Kreis. Leider hat man vergessen, zum einen dem Supermarkt eine Eingangstür für Kunden zu spendieren, und zum anderen stellt man fest, dass es eh keine Kunden gibt (was die vergesse Tür ja relativiert).
Summa summarum (wenngleich ich kein Lateiner bin) haben beide Projekte zunächst einen großen volkswirtschaftlichen Beitrag geliefert. Beiträge zur Sozialversicherung, Krankenkassenbeiträge, etc. wurden bezahlt. Bonusmeilen, Hotelpunkte und Ökostromtickets der Bahn wurden eingeheimst.
Zeigen muss sich nur noch, dass beide doch so ähnliche Unternehmungen auch Ihren betriebswirtschaftlichen Nutzen (der eigentlich im Vordergrund stand) liefern. Ich würde mich freuen.